Sunday, January 13, 2019

Von der Habanera zum Tango, Teil 3



Paris war während des 19. Jahrhunderts die kulturelle Hauptstadt der westlichen Welt. In Paris Karriere zu machen war der Traum jedes ambitionierten Musikers, und was in Paris geschah wurde überall zur Kenntnis genommen. Sebastián Iradier war einer von vielen spanischen Komponisten, die berufliche Verbindungen zu Paris unterhielten. Als Gesangslehrer der Kaiserin Eugenia kann er auch als einer der erfolgreicheren Musiker in Paris gelten.

Da Kuba damals noch eine spanische Kolonie war, überrascht es nicht, dass spanische Komponisten Elemente der kubanischen Musik als Teil ihres eigenen (kolonialen) Kulturerbes übernahmen. Die Habanera erfreute sich aber auch in anderen Ländern großer Beliebtheit, die weder koloniale noch sprachliche Verbindungen zu Kuba aufwiesen. Ihr Erfolg in Paris ist daher besser mit einem Interesse am Exotischen erklärt.

Andere, unbekannte Kulturen faszinierten Künstler und ihr Publikum während des ganzen 19. Jahrhunderts. In der Musik drückte sich das z.B. in einem ausgiebigen Angebot von Opern aus, die in weit entfernten Ländern spielten (Lakmé,Die Perlenfischer,Aida, usw.). Orchester- und Klavierwerke, auf slawischen, ungarischen, kubanischen oder anderen Tänzen basierend, die von Produzenten und Publikum als „exotisch“ empfunden wurden, erfreuten sich ebenso großer Beliebtheit. 

1. Le Petit Coco d'Amérique


The französische Sänger Louis Bousquet veröffentlichte 1858 in Paris den Klavierauszug eines chanson havanaise oder tangos mit dem Titel Le Petit Coco d'Amérique. Der Text erzählt die Geschichte Cocos, eines Schwarzen, ursprünglich aus Mozambique, der als armer Mann aus Südamerika nach Paris gekommen war, um zu Geld zu kommen. In den Straßen von Paris hatte er, singend und Tango-tanzend, großen Erfolg und machte ein Vermögen. Gekleidet wie ein Herr von Stand plant Coco nun nach Südamerika zurückzukehren, um seinen Vater und seine Auserwählte aus der Sklaverei freizukaufen.

Bousquet führte Le Petit Coco d'Amérique im Théâtre de l'Ambigu-Comique als entr'acte während der Darbietung des Dramas“à grand spectacle”Les Fugitifs (Auguste Anicet-Bourgeois und Ferdinand Dugué) auf. Das Theaterstück spielt in Indien und bringt französische Siedler, englische Soldaten und Matrosen, sowie indische Diener, Rebellen und Banditen auf die Bühne. Bousquets Einlage hatte nichts mit der Handlung des Dramas zu tun, aber doch mit dem Exotischen: Coco aus Mozambique, der in den Straßen von Paris Tango tanzt, ist nicht weniger exotisch als ein Rettungsdrama, das in Indien spielt.

Le Petit Coco d'Amérique, Titelseite

Der musikalische Aufbau von Le Petit Coco d'Amérique ist in Hinsicht auf unsere Untersuchung nicht besonders interessant. Es handelt sich um ein einfaches strophisches Lied, das sich aus zwei Phrasen, einer kurzen Einleitung und einer Coda zusammensetzt. Der Habanera-Rhythmus bildet das rhythmische Fundament des Stückes, doch es zeigen sich weder Kreuzrhythmen noch síncopas. Die Melodie bewegt sich immer mit dem Rhythmus, niemals gegen ihn.

Le Petit Coco d'Amérique, Auszüge


Tangos dieser Art—einfache strophische Lieder mit dem Habanera-Rhythmus als Begleitung—trifft man öfter in der spanischen Zarzuela an. Und tatsächlich ist Bousquets Lied einem solchen Musiktheaterstück entnommen worden: es gehürt zu El Relámpago, einer Zarzuela von Francisco Asenjo Barbieri, die ein Jahr vor Le Petit Coco d'Amérique veröffentlicht wurde. In der Zarzuela bildet dieses Stück, das als Tango gekennzeichnet ist, das Finale und trägt den Titel “¡Ay, qué guto, qué placé!”. (Aufnahmen finden sich in Youtube.)

Bousquet ist auf der Titelseite von Le Petit Coco d'Amérique als Urheber angegeben, aber er ist bestenfalls der Autor des französischen Textes. Man sollte Bousquets Druckwerk allerdings nicht als einfaches Plagiat verwerfen, denn es ist auch ein Beleg für die Bühnenrolle, die er kreierte und aufführte.

Barbieri's Zarzuela spielt im kolonialen Kuba. Der Tango wird von einem „coro de negros“ gesungen und getanzt, die die Dienerschaft der weissen Hauptrollen darstellen. Wie in vielen Habanera-Liedern singen die Akteure des Textes in ¡Ay, qué guto, qué placé! (Standard-Spanish: ¡Ay, qué gusto, qué placer!) im angeblichen Dialekt der schwarzen kubanischen Bevölkerung über die Freuden des Tanzens. Le Petit Coco d'Amérique, Bousquet's Bühnenrolle, folgt dem Modell des Tangos von Barbieri: Coco ist schwarz, singt in fehlerhaftem Französisch und hat sein Vermögen durch Singen und Tanzen erworben.

Wir haben keine Belege über Bousquets Motivation, sich an Baribieris Tango zu bedienen und sich als singender und tanzender Schwarzer zu kostümieren. Sein Entschluss legt aber die eine oder andere Schlussfolgerungen nahe. Erstens, die Verbindung zwischen tango, Tanz und schwarzen Menschen, die in den Habanera ähnlichen Stücken spanischer Komponisten deutlich hervortrat, war auch für Bousquet selbstverständlich. Zweitens, diese Verbindung entstand wahrscheinlich auf europäischen Theaterbühnen und wurde durch öffentliche Aufführungen wie Barbieris Zarzuela und Bousquets entr'acte verbreitet.

2. Zig-zig-zig-tong



Henrique Alves de Mesquita (1830-1906) studierte Musik am Konservatorium von Rio de Janeiro und erhielt nach erfolgreicher Abschlussprüfung ein Stipendium zur Fortsetzung seiner Studien in Paris. Seine ersten Kompositionen—Tanzmusik für Klavier, größtenteils Polkas und Quadrillen—erschienen Ende der 1850iger Jahre. Nach seiner Rückkehr aus Paris etablierte er sich als Komponist, Dirigent, Musikprofessor in Rio de Janeiro und erwarb sich einen Namen als Operettenkomponist. Eines seiner Stücke, dass noch heute gespielt wird, ist ein Tango aus der Operette Ali Baba. Den Text, der auf die Geschichte aus Tausendundeiner Nacht zurückgeht, verfasste der portugiesische Librettist Eduardo Garrido. (Aufnahmen finden sich in Youtube.)

Henrique Alves de Mesquita (1830-1906)

Dieser Tango mit dem Titel Zig-zig-zig-tong unterscheidet sich nicht wesentlich Barbieri's Tango in El Relámpago. Er ist ein kurzes Stück mit zwei Teilen, das die typische Phrasenaufteilung einfacher Lieder und Tänze aufweist (32 + 3 Takte im ersten Teil, 15 + 5 im zweiten). Beide Teile wurden mit Hilfe eines in Habanera ähnlichen Stücken häufig anzutreffenden Schemas tonal kontrastiert: den Varianttonarten (A-Moll im ersten, A-Dur im zweiten Teil).

Der Habanera-Rhythmus bildet die rhythmische Grundlage in der Bass-Begleitfigur des ganzen Stückes. Es finden sich keine melodischen Kreuzrhythmen, aber die síncopa ist ein wichtiges rhythmische Element im ersten Teil.

Zig-zig-zig-tong, Teil 1, Auszug

Dagegen führt der zweite Teil einen lebhaften, polka-ähnlichen Rhythmus in die Melodie ein. Zusammen mit der A-Dur Tonart und einem etwas schnellerem Tempo verleiht dies dem Teil einen leichten, dynamischen Tanzcharakter.

Zig-zig-zig-tong, Teil 2, Auszug

Heute ist das Stück allgemein als „der Tango aus Ali Baba“ bekannt. Der Umstand, dass es aber einen ordentlichen Titel aufweist, Zig-zig-zig-tong, weist darauf hin, dass es einen Text hatte und es sich hier um eine Gesangs- und Tanznummer aus der Operette handelt, gerade wie Barbieris ¡Ay, qué guto, qué placé!. Auch die Lithographie auf der Titelseite des Klavierauszuges legt dies nahe. Sie stellt drei schwarze Männer dar, die tanzen und Musik machen. Auch hier wird Tango wieder mit Tanz und schwarzen Menschen in Verbindung gebracht.

Zig-zig-zig-tong, Titelseite

Der Tango Zig-zig-zig-tong zeigt viele der typischen Elemente auf, die für die Habanera und Habanera ähnlichen Kompositionen kennzeichnend sind. Alves de Mesquita traf in Paris ein, als die Habanera von Komponisten in Spanien und Frankreich aufgegriffen wurde. Ob er die Habanera zu dieser Zeit kennenlernte und sie durch ihn in Rio de Janeiro eingeführt wurde, scheint unwahrscheinlich und ist letzten Endes nicht maßgeblich. Wichtiger ist, dass er nach seiner Rückkehr weiterhin Musik komponierte (einschließlich Tangos), die dem Publikum und den Verlegern in Paris zusagte. Daran zeigt sich, dass Berufsmusiker (Komponisten und Ausführende) und Institutionen der Musikbranche (Theater, Verleger) einen andauernden, bilateralen kulturellen Austausch pflegten, der kontinentale Grenzen überschritt.

Eine interessante Anmerkung zu unserer Ausführung: Es wird Alves de Mesquita zugeschrieben, der Urheber eines brasilianischen Musikstils, des maxixe (auch als „brasilianischer Tango“ bekannt), zu sein. Dieser Tanz eroberte 1906 die Ballsäle in Europa und Nordamerika, nur wenige Jahre vor dem argentinischen Tango, der 1912 zum letzten Schrei wurde.

3. El Negro Schicoba


Eine Durchsicht der argentinischen Schriften zur Geschichte des Tangos hinterläßt manchmal den Eindruck, dass das Land selbst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts musikalisch ein verschlafenes Nest war. Dieser Darstellung liegt zu Grunde, dass die Verfasser sich auf das konzentrierten, was als „argentinisch“ gedeutet werden konnte, und anderes außer Acht ließen.

Wenn man das Musikleben von Buenos Aires aber als Ganzes betrachtet, fällt auf, dass die Stadt sich nicht so sehr von Paris oder Madrid unterschied. Man spielte und tanzte zur gleichen Musik und erfreute sich an Auftritten von vielen ausländischen Künstlern in Theatern, Konzertsälen und Cafés. Im Dezember 1862 berichtete die Zeitung El Nacional über den Auftritt des Schauspielers Fernando Cuello:

Cuello erregte Aufsehen in dieser Aufführung [der Komödie Fuego en el Cielo]. Was das Publikum am meisten begeisterte war ein Tango, den er am Ende sang. Als Beweis, dass es gerechtfertigt war, bieten wir [Cuello] einen neuen Tango an, damit er ihn zu Musik setzen lasse und singe.

Der Name und die Musik des Stückes wurden leider nicht übermittelt, und wir wissen auch nicht, in welcher Rolle sich der Schauspieler präsentierte, als er seinen Tango vortrug. Die Situation aber, in der das Stück—das Paradestück eines Sängers oder Tänzers als Zugabe oder entr'acte zum regulären Programm—aufgeführt wurde, erinnert an die Darbietung von Le Petit Coco d'Amérique in Paris.

Ein ähnliches Stück wurde 1867 im Teatro Argentino in Buenos Aires aufgeführt. Zum Abschluss der Vorstellung einer Komödie sang Germán (Herman?) MacKay, der erste in Argentinien arbeitende nordamerikanische Schauspieler, El Negro Schicoba. Der Schauspieler schrieb den Text selbst, aber die Musik, die als Klavierstück überliefert ist, wurde von José María Palazuelos, einem Argentinier, komponiert. MacKay, eigentlich ein Schauspieler von ernsten Theaterrollen, kostümierte sich bei dieser Gelegenheit als ein schwarzer Besenhändler. Sein possenhaftes Tanzen und die anzüglichen Verse, die er dazu auch improvisierte, wurden mit tosendem Applaus vom Publikums belohnt.

Der nordamerikanische Schauspieler Germán MacKay 
und seine Rolle, "El Negro Schicova"

Die Klavierstimme gibt nicht an, um was für ein Stück es sich handelt, aber es ist offensichtlich eine  der Habanera ähnliche Komposition. Wie die oben besprochenen Tangos handelt es sich um ein einfaches zweiteiliges Lied, das aus zwei Phrasen mit 16 bzw. 14 Takten, sowie einer Einleitung und einer Coda besteht. Die Begleitung der Melodie ist eine durchgehende Ausführung des Habanera-Rhythmus.

Die Melodie des ersten Teils zeigt die síncopa auf. In der Harmonie setzt der Vordersatz die Grundtonart E-Moll fest, während der Nachsatz sich in die Paralleltonart G-Dur verlagert. Im zweiten Teil zeigt sich eine typische melodische Figur mit Triolen. Hier läuft sie allerdings nicht wie sonst als Kreuzrhythmus gegen den Habanera-Rhythmus. Der Begleitrhythmus wechselt zu Triolen über, und der Rhythmus ist in beiden Stimmen synchronisiert. Die Harmonien des Vordersatzes bewegen sich in der Varianttonart E-Dur und schließen im Nachsatz wieder mit der Haupttonart E-Moll ab.



El Negro Schicoba präsentiert sich fast als eine Reprise der oben besprochenen Stücke. So wie in anderen der Habanera ähnlichen Stücken tanzt und singt auch hier eine schwarze Person. Die Gelegenheit, in der die Aufführung stattfand, entspricht der Darbietung von Le Petit Coco d'Amérique. Als musikalische Komposition entspricht das Stück ¡Ay, qué guto, qué placé! und Zig-zig-zig-tong. Und der harmonische Ablauf entfaltet sich zwischen Parallel- und Varianttonarten so wie der Klavier-Tango La Flor de Santander.

Wenn man die in unserer Artikelserie besprochenen Stücke als Sammlung betrachtet, ergibt sich einerseits, dass es unmöglich ist, auch nur einem der Habanera ähnlichen Stücke definierende Charakteristiken zuzuschreiben. Ob habaneracanción americana, oder tango, alle teilen sich formale und stilistische Merkmale, aber diese beschränken sich weder auf eine bestimmte Kategorie, noch sind sie zwingend vorhanden. Die Namen der Kategorien sind Bezeichnungen, aber als solche sind sie so ungenau, dass sie für analytische Aussagen unbrauchbar werden.

Dennoch zeigen Habanera ähnliche Stücke als eine Familie von Musikformen einheitliche, sich wiederholende Merkmale: den Habanera-Rhythmus als durchgehende Begleitfigur, Kreuzrhythmen, síncopas, tonale Kontraste mittels Parallel- und Varianttonarten, eine Beziehung zum Tanz und, wenn sie gesungen werden, eine Verbindung mit schwarzen Personen. Zur kritischen Auseinandersetzung mit Kompositionen der Art und Zeitraums, die hier in Betracht gezogen wurden, empfiehlt es sich daher, diese als Angehörige einer Kategorie anzusehen, d.h. als Muster der Habanera.

Die Habanera trat in den 1850iger Jahren in Spanien als Musikform hervor und wurde schnell von Komponisten außerhalb Spaniens aufgegriffen. Die Stücke, die wir genauer untersucht haben, können ungefähr innerhalb eines Zeitraums von 20 Jahren datiert werden. Wichtig ist die geographische Verteilung, in der sie komponiert und aufgeführt wurden; sie reicht von Madrid nach Paris und weiter nach Rio de Janeiro und Buenos Aires. Das Wiederauftreten stilistischer Merkmale und die Übereinstimmungen in der Aufführungspraxis weisen darauf hin, dass es Regeln für die Komposition und Aufführung der Habanera gab, die überall verstanden und geschätzt wurden. Das bedeutet, dass man eine Habanera oder einen Tango, der 1870 in Paris geschrieben wurde, auch als Tango in Buenos Aires zu schätzen wusste und umgekehrt. Darüber hinaus war es für das Theaterpublikum in jeder Stadt selbstverständlich, dass sich ein Tango-singender und -tanzender Schauspieler auf Grund der offenkundigen Assoziation mit Kuba als schwarzer Mann kostümierte.

Zum Abschluss sollte noch darauf hingewiesen werden, dass die Verbreitung der Habanera nicht zufällig verlief, sondern über Netzwerk-Verbindungen professioneller Musiker. Komponisten ließen sich von der kubanischen Musik inspirieren, aber Sänger, Instrumentalisten und Verleger führten deren Werk einem Publikum zu, wo immer sie eins finden konnten—sei es Madrid, Paris, Rio de Janeiro oder Buenos Aires.

Titelseite eines Klavierauszugs von Francisco Barbieris El Relámpago,
einschließlich des Tangos "¡Ay, qué guto, qué placé!",
veröffentlicht 1867 in Montevideo, Uruguay







Saturday, January 12, 2019

From Habanera to Tango, Part 3



In the 19th century, Paris was the music capital of the Western world. To make a career in Paris was the dream of every ambitious musician, and what happened in Paris was taken note of everywhere. Sebastián Iradier was one of many Spanish composers who established professional ties to Paris. Being named professor of singing by the empress Eugenia made him also one of the more successful musicians in Paris.

Cuba being a Spanish colony at the time, it is not surprising that Spanish composers adopted Cuban music elements they perceived as part of their national (colonial) heritage. However, the habanera gained also popularity in other countries, which had neither colonial or language connections to Cuba. The success of the habanera in Paris, therefore, is best explained by an interest in the exotic.

Throughout the 19th century, artists and their public were fascinated by different and unfamiliar cultures. In music, it made itself evident, for example, in a host of operas playing in far away places (LakméThe PerlfishersAida, etc.) and orchestra and piano works based on dances perceived as “exotic” by their producers and audience. These were described as Slavic, Hungarian, Cuban, or from yet another place.

1. Le Petit Coco d'Amérique


The French singer Louis Bousquet published in 1858 in Paris a piano score of a chanson havanaise, or tango, entitled Le Petit Coco d'Amérique. The text of the song tells the story of Coco, a black man originally from Mozambique who had come from South America to Paris as a pauper in order to make his fortune. He has succeeded and became rich by singing and dancing the tango in public. Dressed like a gentleman, Coco plans to return to South America and buy his father and his beloved out of slavery. 

Bousquet performed Le Petit Coco d'Amériqueat the Théâtre de l'Ambigu-Comique as an entr'acte during the performance of a dramatic play “à grand spectacle”: Les Fugitifs by Auguste Anicet-Bourgeois and Ferdinand Dugué. The play takes place in India and includes characters like French settlers, English soldiers and sailors, as well as native servants, rebels, and bandits. Bousquet's number had nothing to do with the play, other than the element of exoticism: Coco from Mozambique dancing tango in the streets of Paris is no less exotic than the rescue drama playing in India. 

Le Petit Coco d'Amérique, cover page


The musical structure of Le Petit Coco d'Amérique is not very interesting with respect to our discussion. It is a simple strophic song consisting of two phrases with a short introduction and a coda. The habanera rhythm provides the rhythmic foundation of the piece, but there are neither melodic cross rhythms nor síncopas. The melody always moves with the habanera rhythm, never against it.

Le Petit Coco d'Amérique, excerpts


One encounters this kind of tangos—a simple strophic song with accompanying habanera rhythm—intermittently in the Spanish zarzuela. And, in fact, this is where Bousquet's song originated. The same music appears in the zarzuela El Relámpago, composed by Francisco Asenjo Barbieri in 1857, just one year before the publication of Bousquet's song. In the zarzuela, this piece, which is called a tango, represents finale of the work with the title “¡Ay, qué guto, qué placé!” (Recordings are available on Youtube.)

On the cover page of the piano score Bousquet is credited as the creator of Le Petit Coco d'Amérique, but he is at best the author of the French lyrics. One should not dismiss Bousquet's publication as just as a case of music plagiarism, though, as it is also a record of the role that he created and performed on stage. 

Barbieri's zarzuela plays in colonial Cuba. The tango is sung and danced by the “coro de negros” who are the servants to the white main characters. Corresponding to many habanera songs, the characters of¡Ay, qué guto, qué placé!(¡Ay, qué gusto, qué placer! in standard Spanish) sing in the supposed dialect of Cuba's black people about the pleasures of dancing. Bousquet's stage character, Le Petit Coco d'Amérique, follows the model of Barbieri's tango. Coco is black, sings in incorrect French, and has made his fortune by singing and dancing tango.

We don't know why Bousquet chose to pilfer Barbieri's tango and masquerade as a singing and dancing black man. His choice allows one or two important deductions, however. First, the association oftango, dance, and black people—which, as we have seen, was prevalent in the habanera-like pieces of Spanish composer—was self-evident to Bousquet. Second, this association probably originated on European stages and was disseminated through public performances like Barbieri's zarzuela and Bousquets entr'acte.

2. Zig-zig-zig-tong


Henrique Alves de Mesquita (1830-1906) studied music at the conservatory of Rio de Janeiro and, upon graduation, was awarded a scholarship to continue his studies in Paris. His first published compositions appeared in the late 1850s (piano dance music, mostly quadrilles and polkas). After leaving Paris, he established himself as a composer, orchestra director, and professor of music in Rio de Janeiro and made a name for himself as a composer of operettas. One of his pieces that is still performed today is a tango from his operetta Ali Baba (with a text by the Portuguese librettist Eduardo Garrido, based on the story from One Thousand and One Nights). (Recordings of the piece are available on Youtube.)

Henrique Alves de Mesquita (1830-1906)

This tango, entitled Zig-zig-zig-tong, is not unlike the tango of Barbieri's El Relámpago. It is a short piece of two sections that show the typical phrase divisions of simple song and dance pieces (32 + 3 measures in the first section, 16 + 5 in the second).Both sections are tonally contrasted by means of a pattern common in habanera-like pieces, that is, by parallel keys (a minor and A major, respectively).

The habanera rhythm provides the rhythmic foundation in the bass accompaniment through the entire piece. There are no melodic cross rhythms but the síncopais a prominent rhythmic figure in the first section.

Zig-zig-zig-tong, Section 1, excerpt

By contrast, the second section introduces an energetic, polka-like rhythm into melody. This, together with the key of A major and a faster tempo, lends the section a lively dance-like character.

Zig-zig-zig-tong, Section 2, excerpt

Today, the piece is commonly known as “the tango from Ali Baba”. However, the fact that it actually has a title, Zig-zig-zig-tong, is an indication that it may have had a text and was a song-and-dance number in the operetta, just as Barbieri's "¡Ay, qué guto, qué placé!". The cover illustration of the piano score suggests as much: it shows three black men dancing and making music, thus associating tango again with black people and dance.

Zig-zig-zig-tong, cover page

The tango Zig-zig-zig-tong exhibits many of the typical elements that characterize habanera or habanera-like compositions. Alves de Mesquita went to Paris at a time when the habanera was becoming a musical genre popular with composers in Spain and France. Whether or not he became acquainted with the habanera then and took it back Rio de Janeiro seems unlikely and, in the end, is not very significant. More important is that he kept composing music, including tangos, after his return that appealed to the audience and publishers in Paris. This demonstrates that a continuous bilateral cultural exchange was maintained by professionals (composers, performers) and professional institutions (theaters, publishers) across continental boundaries.

An interesting side note to our discussion: Alves de Mesquita is also credited with being the originator of a Brazilian music style, the maxixe (also known as “Brazilian tango”), which conquered the dance floors in Europe and North America just a few years before Argentinian tango became all the rage in 1912.

3. El Negro Schicoba


A perusal of Argentinian writings on the history of tango sometimes leaves the impression that the country was something of a musical backwater even during the second half of the 19th century. The reason for this is that by trying to trace the Argentinian roots of tango, researchers focussed on that which could be claimed as “Argentinian” and rejected everything else.

If one looks at musical life in Buenos Aires as a whole, however, one notices that it was not that different from Paris or Madrid. People played and danced to the same kind of music and enjoyed performances from numerous foreign artists in theaters, concert halls, and cafes. In December 1862, the newspaper El Nacional reported on a performance of the actor Fernando Cuello:

Cuello caused a sensation in this show [of the comedy Fuego en el Cielo]. What elated the audience the most was a tangohe sang at the end. It received an ovation as only few pieces have. As a proof that it was justified, we are offering [Cuello] a newtangoso that he may have it set to music and sing it.

The name and music of the piece are unfortunately unknown, nor do we know what role the singer impersonated when he was performing his tango. The situation in which the piece was performed—a singer's or dancer's showpiece given in addition or as an entr'acte tothe scheduled program—recalls Bousquet's performance of Le Petit Coco d'Amérique in Paris.

A similar piece was performed in 1867 at the Teatro Argentino in Buenos Aires. At the end of a performance of a comedy, the first North-American actor working in Argentina, Germán (Herman?) MacKay, sang El Negro Schicoba. The actor wrote the text himself but the music, which has survived as a piano score, was composed by an Argentinian, José María Palazuelos. MacKay, who actually was an actor of serious roles, in this occasion dressed up as a black broom vendor and sang, presenting a farcical dancing routine and improvising risqué verses to the thunderous applause of the audience. 

The North-American actor Germán MacKay and his character,
"El Negro Schicova"

The piano score does not indicate what kind of piece it is, but it is obviously a habanera-type composition. Like the two tangos discussed above, the piece is a simple two-part song consisting of two phrases of 16 and 14 measures, respectively, plus and introduction and a coda. The accompaniment is based on a continuous habanera rhythm.

The melody of the first section makes use of the síncopa. Harmonically, the antecedent phrase introduces the main key, e minor, whereas the consequent phrase shifts to the relative key, G major. The second section employs the typical habanera figure with triplets. Here they are not set in a cross-rhythmic pattern against the dotted habanera rhythm, however. The accompaniment switches to triplets as well and the rhythms in both voices are synchronized. Harmonically, the antecedent phrase moves to the parallel key E major and returns to e minor in the subsequent phrase.


El Negro Schicoba, interestingly, appears to be a recapitulation of the pieces discussed earlier. As other habanera-like pieces, it has a black character who sings and dances. The setting in which the performance took place is equivalent to the presentation of Le Petit Coco d'Amérique. As a musical composition, the piece corresponds formally to ¡Ay, qué guto, qué placé! and Zig-zig-zig-tong. Harmonically, it exploits parallel and relative keys just like La Flor de Santander did.

Looking at all the pieces discussed in our study as a collection, it emerges that, on the one hand, it is impossible to attribute definitive characteristics to any of the habanera-like compositions. Whether habaneracanción americana, or tango, all categories share stylistic and formal traits, but these traits are neither limited to a particular category nor are they necessarily present. The names of the categories are designations, and as such they are imprecise to the point of being useless for analytical purposes.

Nevertheless, as a family of music forms, habanera-like pieces show consistent, reoccurring traits: the habanera rhythm as a continuous accompaniment figure, cross-rhythms, síncopas, tonal contrasts between parallel and relative keys, a connection to dance, and—if sung—a textual association with black people. Rather than taking compositions of the kind and period under consideration as distinct types, it seems more appropriate to look at them as members of one category, that is, as examples of the habanera.

The habanera emerged as a musical form in the 1850s in Spain and was quickly taken up by composers outside Spain. The pieces we have scrutinized so far can be dated roughly within the timespan of two decades. Significant is the geographical distribution in which the pieces were written and performed, reaching from Madrid, to Paris, Rio de Janeiro, and Buenos Aires. The recurrence of common stylistic traits and similarities in performance settings suggests that there existed conventions for composing and performing a habanera that were universally understood and appreciated. It means that a habanera or tango written in 1870 in Paris would have been appreciated as a tango in Buenos Aires and vice versa. Furthermore, it would have been self-evident to the audience in either city that an actor singing and dancing a tango would dress up a as black person because of its notorious Cuban association.

Finally, one should take note that the dissemination of the habanera did not occur by chance but ran through network channels of professional musicians. Composers took their inspiration from Cuban music, but performers and music publishers carried their works to audiences wherever they could find one, be it Madrid, Paris, Rio de Janeiro, or Buenos Aires.

Cover page of a piano score of Francisco Barbieri's El Relámpago,
including the tango "¡Ay, qué guto, qué placé!",
published 1867 in Montevideo, Uruguay






© 2019 Wolfgang Freis


Friday, January 4, 2019

From Habanera to Tango, Part 2




As we have seen in Part 1 of our discussion, Iradier's La Paloma and El Arreglito were classified as canción americana and canción habanera, respectively. In addition, Iradier's “American” compositions include yet another category besides the danza habanera, namely, tango americano.

The origin of the term “tango” and what kind of music it referred to has not been unambiguously clarified. What is clear is that “tango” was not a new term when Spanish composers, like Iradier, began to write pieces by that name in the mid-nineteenth century. Looking at the scores one wonders, in fact, what distinguishes a tango from an habanera, for example. This is particularly striking in the work of Iradier: all of his “American” pieces, including the danzas, are vocal compositions, are built on the habanera rhythm, and show the typical melodic cross rhythms we have encountered in La Paloma and El Arreglito.

However, it is not only in Iradier's work that such ambiguity of categorization can be detected. Tangos and habaneras were written for stage works and instrumental music, with no consistent differentiation. One has to content oneself with the realization that composers handled the categorization of their pieces quite casually.

For example, La Flor de Santander (1861) a tango composed by Dámaso Zabalza (1835-1894) is a piano piece that shows correspondences to the danza habanera La Cubana by Florencio Lahoz discussed in Part 1.

Dámaso Zabalsa

1. La Flor de Santander


Dámaso Zabalza was a concert pianist and piano professor at the conservatory of Madrid. A prolific composer of music for the pianoforte, his pieces included piano etudes, arrangements of operas, and dances popular at the time—among them “American” pieces like habanerascontradanzas, and tangos.

His tango La Flor de Santander (88 measures) is a longer piece than La Cubana, but it is still a short composition. It consists of 4 sections plus an introduction. Fundamentally, each section is built on a 16-measure phrase. Only the antecedent phrase of section A has 2 “empty” accompaniment measures pre- and appended, respectively, which makes the phrase sound somewhat unbalanced. But apart from this little anomaly, the phrase structure of La Flor de Santander is very regular.


Section
Actual Length 
(in Measures)
Fundamental Length
(in Measures)
Tonality
Introduction
8

c minor
A
18
10 (8+2) + 8
c minor
B + bridge
20
16 + 4
Eb major → c minor
A (repetition)
18
10 (8+2) + 8
c minor
C
8 (16 with repetition)
8
c minor
D
16

C major


The composer also uses the tonal relationships of major and minor keys to express the formal structure of the piece. In El Arreglito, Iradier differentiated sections by alternating the parallel keys d minor and D major. Here in La Flor de Santander we also find parallel keys but employed differently: the piece begins in c minor but ends in C major. Furthermore, section B seems to shift tonally to the relative major key Eb major in the antecedent phrase, only to return to c minor in consequent phrase. This little shift to the relative major is nevertheless significant: it foreshadows the ending in the parallel major key.

Interesting are also the harmonic progressions of the last section. They may be described as two extended cadences, thus, as progressions that decisively establish the tonality in C major. The consequent phrase uses the more common subdominant, dominant, tonic progression. The antecedent phrase, however, introduces some harmonic color by moving through a series of secondary dominants. These secondary dominants are all major chords, and thus the progression from A major to D major to G major before resolving to the tonic C major. The contrast to the preceding sections could not be stronger. From the beginning up to section D, the piece is in c minor, only briefly leaning toward the relative major key. Section D is not only in C major, its harmonic progressions contain nothing but major chords.

Secondary Dominants



We started our discussion of La Flor de Santander by suggesting that this tango exhibited correspondences to the danza habanera La Cubana by Lahoz. Both pieces are piano works, the phrase composition is similar (16-measure phrases, with slight irregularities), and the rhythmic structure of the melodies shows correspondences (cross rhythms, síncopa).

La Cubana has a simple musical design, namely, a two-part song form. It is not difficult to imagine the music as setting the strophe and refrain of a poem. La Flor de Santander, on the other hand, is a more complex formal structure that is based on an important concept of harmony: the relationship between parallel and relative major and minor keys. The piece starts in c minor and ends in the parallel C major key, after having “visited” the relative Eb major in between. This harmonic pattern shows that the composer was trained in harmony of Western music. More important to the point: it speaks a tonal language that would still be readily understood by the “old school” composers of Argentinian tango, like Villoldo, Firpo, Greco, or Arolas, who will be active a few decades later. (Readers of our A Short Harmony of Tango will recognize the harmonic progressions and principles of formal structuring discussed in this article.)


2. The Audience of Piano Music


Iradier dedicated many of his vocal compositions to (sometimes internationally) well-known singers. It was the custom for composers to dedicate a piece to a singer or musician in the hope of getting it performed. It was a move to help the sale of the music. When a piece had been performed publicly on stage, the publisher would list it on the title page as an advertisement. La Flor de Santander, however, is a simple piano piece, too simple to attract the interest of a well-known pianist and to be performed in a concert. Instead, it can be inferred that La Flor de Santander and similar pieces like La Cubana were intended for the greater audience of piano-playing amateurs.

The importance of easy-to-play piano pieces should not be underestimated. At a time without television, radio, or even the gramophone, one had to go the opera, a concert hall, or a café to hear music. Otherwise, one had to play it oneself. Piano music was sold as inexpensive sheet music or in modest collections. It was a powerful distribution channel through which new music reached a wide audience—not only in Europe, but also in countries of the New World.

This holds true for Argentinian tangos as well. In the early days of tango, when records were expensive and the radio not yet been invented, piano sheet music was the most important outlet for the dissemination of new compositions. Arturo de Bassi commented in an interview in the 1930s on his first great success as a composer. He wrote his tango El Incendio in 1906 when he was just 16 years old and worked as an orchestra musician at the Apolo Theater in Buenos Aires. The orchestra premiered the piece at the theater during an intermission. Since he could not find a publisher, De Bassi had El Incendio printed at his own expense and sold it on consignment in music stores. The piece became a hit and sold 50,000 copies.

The success of El Incendio was exceptional, and the sales total given by De Bassi must have been accumulative over the years. Nevertheless, the fact that an individual—an unknown composer, without the help of an established publisher—could sell a significant number of copies of a piano score bespeaks an interest and demand by the general public. 

Our investigation of the development from habanera to tango has led us from the stage and musical salon, where professional musicians performed for an audience, to the private homes of music amateurs who purchased piano scores for personal entertainment and educational purposes. The producers of this kind of music were music professionals (composer, arrangers, publishers) who provided their audience with a huge body of piano music intended private amusement. This repertory consisted of popular music in the widest sense: piano reductions from stage works, songs, dances, and “American” pieces, like habanerastangos, or danzas cubanas.





Von der Habanera zum Tango, Teil 2




Im Teil 1 unserer Untersuchung sahen wir, dass Iradier seine Kompositionen La Paloma und El Arreglito als canción americana beziehungsweise canción habanera klassifizierte. Außer diesen beiden und der danza habanera, trifft man bei Iradier noch eine weitere Kategorie an: den tango americano.

Der Ursprung des Begriffes “Tango” und mit welcher Art von Musik er in Beziehung stand ist noch nicht eindeutig geklärt worden. Fest steht aber, dass er nicht neu war, als spanische Komponisten wie Iradier in der Mitte des 19. Jahrhunderts anfingen, Stücke unter diesem Namen zu schreiben. Bei eingehendem Studium der Partituren fragt man sich allerdings, was z.B einen Tango von einer Habanera unterscheidet. Das fällt besonders in Iradiers Werk auf: seine „amerikanischen“ Stücke, einschließlich der danzas, sind alle Gesangskompositionen, sind auf dem Habanera-Rhythmus aufgebaut und zeigen die typischen melodischen Kreuzrhythmen auf, die wir in La Paloma und El Arreglito angetroffen haben.

Das Werk Iradiers ist aber nicht das einzige, in dem sich solche Vieldeutigkeit aufzeigen läßt. Tangos and Habaneras wurden als Bühnen- und Instrumentalmusik ohne übereinstimmende Unterscheidung komponiert. Man muss sich mit der Erkenntnis zufriedengeben, dass Komponisten sich mit der Kategorisierung ihrer Stücke sehr beiläufig beschäftigt haben.

Der im Teil 1 besprochene danza habanera La Cubana von Florencio Lahoz ist z.B. ein Klavierstück, das viele Ähnlichkeiten mit dem tango La Flor de Santander (1861) von Dámaso Zabalza (1835-1894) aufweist.

Dámaso Zabalsa

1. La Flor de Santander


Dámaso Zabalza war Konzertpianist und Professor für Klavier am Konservatorium in Madrid. Als Komponist von Klaviermusik zeigte er sich überaus produktiv und veröffentlichte Etüden, Klavierauszüge von Opern und populäre Tanzmusik, zu der auch „amerikanische“ Stücke wie habanerascontradanzas und tangos gehörten.

Zabalzas tango La Flor de Santander (88 Takte) ist ein längeres Stück als La Cubana, aber es ist dennoch eine kompakte Komposition. Sie besteht aus 4 Teilen sowie einer Einleitung. Grundsätzlich baut sich jeder Teil auf einem 16-taktigen Satz auf. Nur dem Vordersatz des ersten Teils sind jeweils ein „leerer“ Takt voran- bzw. nachgestellt, sodass der Satz etwas unbalanciert klingt. Außer dieser kleinen Abweichung ist die Phrasenstruktur von La Flor de Santander sehr regelmäßig.


Teil
Tatsächliche Länge
(in Takten)
Fundamentale Länge
(in Takten)
Tonart
Einleitung
8

c Moll
A
18
10 (8+2) + 8
c Moll
B + Überbrückung
20
16 + 4
Es Dur → c Moll
A (Wiederholung)
18
10 (8+2) + 8
c Moll
C
8 (16 mit Wiederholung)
8
c Moll
D
16

C Dur

Der Komponist greift auch auf die tonale Beziehungen von Dur- und Molltonarten zurück, um die formale Struktur des Stückes auszudrücken. Iradier hat in El Arreglito die formalen Abschnitte abwechselnd durch die Varianttonarten D-Moll und D-Dur kontrastiert. Auch La Flor de Santander verwendet Varianttonarten, allerdings in einer anderen Form: das Stück beginnt in C-Moll und endet in C-Dur. Zusätzlich scheint sich der Vordersatz des Teils B der Paralleltonart Es-Dur zuzuwenden, kehrt dann aber im Nachsatz nach C-Moll zurück. Diese kurze Verschiebung zur Paralleltonart ist dennoch formal bedeutend, da sie den Schluß in der Dur-Variante vorausahnen läßt.

Gleichsam interessant ist der harmonische Ablauf des Teils D. Vorder- und Nachsatz kann man als erweiterte Kadenzen bezeichnen, also als harmonische Abläufe, die die Tonalität eindeutig im C-Dur verankern. Der Nachsatz besteht aus der elementaren Dur-Kadenz, die sich über Subdominante und Dominante zur Tonika auflöst. Die Harmonien des Vordersatzes sind dagegen bunter ausgestaltet, indem sie eine Serie von Nebendominanten durchlaufen. Die Nebendominanten sind durchweg Dur-Akkorde: von A-Dur, über D-Dur nach G-Dur und schließlich zur Auflösung nach C-Dur. Der Gegensatz zu den vorangegangenen Teilen des Stückes ist hervorstechend. Vom Anfang bis zum Teil C bewegt sich das Stück in C-Moll und neigt sich dabei nur flüchtig dem parallelen Es-Dur zu. Teil D dagegen ist nicht nur in C-Dur, sondern der ganze harmonische Ablauf besteht ausschließlich aus Dur-Akkorden.

Nebendominanten



Wir begannen unsere Besprechung von La Flor de Santander mit dem Hinweis, dass dieser tango Übereinstimmungen mit dem danza habanera La Cubana von Lahoz aufwies. Beide Stücke sind Klavierkompositionen, ihr Phrasenaufbau ähnelt sich (16-taktige Phrasen mit geringen Unregelmäßigkeiten) unddie rhythmische Struktur der Melodien zeigt Übereinstimmungen auf (Kreuzrhythmen, síncopa).

La Cubana basiert auf einem einfachen musikalischem Entwurf: einer zweiteiligen Liedform. Es ist nicht schwierig, sich das Stück als Harmonisierung eines Gedichtes mit Strophe und Refrain vorzustellen. La Flor de Santander zeigt dagegen eine komplexere Gliederung auf, die sich auf ein Konzept der Harmonielehre bezieht: die Beziehungen zwischen Variant- und Paralleltonarten. Das Stück beginnt in C-Moll und endet in der Varianttonart C-Dur nach einem „Ausflug“ zur Paralleltonart Es-Dur. Der harmonische Ablauf zeugt davon, dass der Komponist in Harmonielehre unterrichtet worden war. Was noch wichtiger ist: die Harmonien sind in einer tonalen Sprache abgefasst, die auch einige Jahrzehnte später von den Komponisten der „alten Schule“ des argentinischen Tangos (wie Villoldo, Firpo, Greco oder Arolas) verwendet wurden. (Den Lesern unserer Eine kleine Tango-Harmonielehre werden die hier besprochenen harmonischen Abläufe und die Prinzipien des formalen Aufbaus bekannt vorkommen.)

2. Der Abnehmerkreis für Klaviermusik


Iradier widmete viele seiner Gesangs-Kompositionen (manchmal international) bekannten Sängern. Es war allgemein gebräuchlich bei Komponisten, einem Sänger oder Musiker ein Stück zuzuschreiben—in der Hoffnung, dass es aufgeführt wurde. Dies wiederum förderte den Verkauf der Noten. Wenn ein Stück öffentlich von einem bekannten Künstler aufgeführt worden war, wurde dies vom Verleger auf der Titelseite als Werbung vermerkt. La Flor de Santander ist allerdings ein sehr bescheidenes Klavierstück—zu einfach, um das Interesse eines bekannten Pianisten zum Vortrag anzuregen. Daraus läßt sich schließen, dass La Flor de Santander und ähnliche Stücke wie La Cubana für das weitere klavierspielende Publikum der Musikliebhaber gedacht war.

Die Wichtigkeit von leicht zu spielenden Klavierstücken sollte nicht unterschätzt werden. In einer Zeit ohne Fernsehen, Radio oder Grammophon gehörten die Oper, der Konzertsaal oder ein Café zu den wenigen Plätzen, an denen man Musik hören konnte. Ansonsten musste man selber ein Instrument spielen. Klaviermusik wurde als billige Notenblätter oder kleine Sammlungen angeboten. Sie waren ein wirksames Vertriebsmittel mit dem neue Musikstücke der weiteren Öffentlichkeit übermittelt wurden—nicht nur in Europa, sondern auch in der Neuen Welt.

Dies gilt auch für den argentinischen Tango. In der Frühzeit des Tangos, als Schallplatten teuer und das Radio noch nicht erfunden waren, bildeten Notenblätter das wichtigste Medium für die Verbreitung von neuen Kompositionen. In den 1930iger Jahren äußerte sich Arturo De Bassi in einem Interview zu seinem ersten großen Erfolg als Komponist. 1906, als mit gerade 16 Jahren als Musiker im Orchester des Apolo Theaters in Buenos Aires spielte, schrieb er seinen Tango El Incendio. Die Erstaufführung erfolgte durch das Orchester während einer Theaterpause. Da De Bassi aber keinen Verleger für sein Stück finden konnte, entschloss er sich, es auf eigene Kosten drucken zu lassen und gab es in Musikgeschäften in Kommission. Das Stück wurde ein Erfolgsschlager und 50,000 Exemplare wurden verkauft.

Der Erfolg von El Incendio war sicher außergewöhnlich und die Verkaufszahlen akkumulierend. Dennoch weist der Umstand, dass ein junger, unbekannter Komponist ohne die Hilfe eines Verlegers eine beachtliche Anzahl seines Stückes verkaufen konnte, darauf hin, dass die Nachfrage nach Klaviernoten in der weiteren Öffentlichkeit groß war.

Unsere Untersuchung der Entwicklung von der Habanera zum Tango führte uns von Bühne und Musiksalon (d.h., den Schauplätzen von Berufsmusikern) in die private Heimstatt von Musikliebhabern, die Klaviermusik zur persönlichen Unterhaltung oder Übungszwecken erwarben. Die Produzenten dieser Art von Musik waren Fachleute (Komponisten, Arrangeure, Verleger), die ihrer Kundenschaft mit einer Vielzahl von Klavierausgaben zum privaten Zeitvertreib anboten. Die Auswahl bestand aus populärer Musik im weitesten Sinne: Klavierauszügen aus Opern und Operetten, Liedern, Tänze und „amerikanische“ Stücke wie habanerastangos, oder danzas cubanas.




© 2019 Wolfgang Freis