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Monday, September 25, 2017

Die Frauen des "Tango!"

1930 erreichte der Tonfilm Argentinien. Viele Tangomusiker waren entsetzt: eine wichtige Auftrittsbühne und Einnahmequelle, die ihnen während der Jahre des Stummfilms zur Verfügung stand, drohte ihnen aus den Händen zu gleiten. Drei Jahre später wurde der Tonfilm dann auch in Argentinien heimisch, und der erste, der im Lande produziert wurde hieß: Tango!

Der Film ist kein kinematographisches Meisterwerk. Im Gegenteil: die Handlung ist schwach, die Schauspielerei meistens unbeholfen und die Dialoge dürftig. Aber da ist die Musik! Die Produzenten brachten einige der besten Tangomusiker der Zeit zusammen. Unter ihnen sind vier herausragende Sängerinnen und Schauspielerinnen: Tita Merello, Azucena Maizani, Mercedes Simone, und Libertad Lamarque.

Karikaturen aus Caras y Caretas.
Von links nach rechts: Tita Merello, Azucena Maizani, Mercedes Simone, Libertad Lamarque

Die vier Frauen begannen ihre Karriere in 20er Jahren und waren bis nach den 40er Jahren die absoluten Superstars des Tangos. Im öffentlichen Leben waren sie allgegenwärtig: man sah sie in Zeitschriften, auf der Bühne, auf der Leinwand; man hörte sie auf Schallplatten und im Radio. 

1. Tita Merello


Tita Merello


Tita Merello (1904-2002) wuchs in den ärmlichsten Verhältnissen in Buenos Aires auf. Sie besuchte nie eine Schule und lernte Lesen und Schreiben erst, als sie Fortschritte in ihrer Bühnenkarriere machte. Ebenfalls durchlief sie nie eine Ausbildung als Schauspielerin oder Sängerin, errang aber schnell einen Ruf als erstklassige Darstellerin. Ihr erster Bühnenversuch asl Sängerin—sie war noch im besten Backfischalter—endete in solch einem Fiasko, dass sie schwor, nie wieder zu singen. Dennoch sang sie bald wieder Tangos in Theaterstücken, die so beliebt wurden, dass sie auf Schallplatten aufgenommen wurden.

1932, ein Jahr vor der Fertigstellung von Tango!, feierte Merello einen großen Erfolg in La Muchachada del Centro, einer musikalischen Komödie mit Musik von Francisco Canaro zu einem Textbuch von Ivo Pelay. Canaro, der auch das Orchester dirigierte, erinnerte sich ihrer später als einer anspruchsvollen Perfektionistin während der Proben. Die Komödie was einer der größten Theatererfolge des Jahres und wurde nur abgesetzt, da Canaro zuvor andere Verpflichtungen eingegangen war.


In Tango! spielte Merello die Rolle einer jungen Frau aus den Armutsvierteln, zu der der männliche „Held“ am Ende zurückkehrt, nachdem er sie hatte sitzen lassen, um sein Glück anderweitig zu suchen. Das Orchester, das Merello im folgenden Ausschnitt begleitet, ist das Conjunto de la Guardia Vieja von Ernesto Ponzio (Geige) und Juan Carlos Bazán (Klarinette).





2. Azucena Maizani

Azucena Maizani


„Eine hübsche junge Frau mit tiefschwarzem Haar kam oft ins 'Pigall'. Als wir uns eines Abends unterhielten, erzählte sie mir, dass sie auch sang. Ich hatte die Idee, sie zu fragen, ob sie nicht Lust hätte, nach einigen Proben vor einem Publikum zu singen. Ich würde sie mit meinem Orchester begleiten. Sie nahm das Angebot gerne an, und nachdem wir geprobt hatten, kündigten wir sie dem Publikum an. Ich stellte sie selber unter den Name 'Azabache' vor—auf Grund ihrer Haare. Sie sang El rebenque planteado und die Milonga La Verdolaga, die sie Carlitos Gardel abgehört hatte. Es muss gar nicht erwähnt werden, dass sie von Anfang an einen riesigen Erfolg hatte, denn sie sang wirklich wunderbar und mit viel Gefühl.“

So beschrieb Francisco Canaro, wie er Azucena Maizani (1902-1970) entdeckt hatte. Der Beiname 'Azabache' (Gagat, pechschwarz), den Canaro ihr gab, hielt sich nicht, aber sie wurde schnell eine äußerst beliebte Tangosängerin, die zu den meist auf Schallplatte aufgenommenen Künstlern der 20er Jahre gehörte (mit dem Orchester Francisco Canaro).


In Tango! tritt sie bezeichnenderweise gleich zu Anfang auf und singt während des Filmvorspanns. Im Film selber erscheint sie als Tangosängerin in einem schäbigen Cabaret der Vororte Buenos Aires. Das orquesta típica wird von Juan de Dios Filiberto dirigiert, der auch der Komponist des Tangos im folgenden Ausschnitt ist. (Botines viejos, mit einem Text von Alberto Vaccarezza.)





3. Mercedes Simone

Mercedes Simone

Mercedes Simone (1904-1990) begann an der Seite ihres Mannes, des Gitarristen Pablo Rodríguez, zu singen. Anfangs sang sie nur am Wochenende in den Kleinstädten der Umgebung ihrer Heimatstadt La Plata, um das Familieneinkommen zu erhöhen. Ihr Debüt als Berufssängerin feierte sie 1926 in Bahía Blanca.

Unbeabsichtigterweise gab Simone einen entscheidenden Anstoß zur Popularisierung der getanzten Milonga. Rosita Quiroga hatte Homero Manzi gebeten, ihr eine Milonga zu verfassen. Manzi bat Sebastián Piana um Hilfe, und beide komponierten Milonga sentimental. Rosita Quiroga gefiel das Stück nicht, da es nicht ihren Erwartungen entsprach und nicht in ihr Repertoire passte. Piana fragte daher Mercedes Simone, ob es ihr zusagen würde. Sie nahm es auf einen Konzerttour nach Montevideo mit und sang es dort mit großem Erfolg. Sie war die erste, die die Milonga nach ihrer Rückkehr nach Buenos Aires auf Schallplatte aufnahm.

In Tango! singt Mercedes Simone auch die Milonga sentimental, begleitet von Pedro Maffias orquesta típica. 1934 griff Maffia das Stück wieder auf und ließ es von Rosita Montemar während der Radioübertragung eines groß angekündigten Konzertes singen. Damit gelang der Milonga sentimental der Durchbruch zur Beliebtheit beim größeren Publikum.


Im folgenden Filmausschnitt singt Mercedes Simone Cantando, eine eigene Komposition, begleitet von Pedro Maffia und seinem orquesta típica.







4. Libertad Lamarque

Libertad Lamarque



Libertad Lamarque (1908-2000) kannte die Theaterbühne schon von Kindesbeinen an und fing mit 12 Jahren an, berufsmäßig als Schauspielerin zu arbeiten. Auf der Bühne sang sie zum ersten Mal einen Tango im Jahr 1926. Ein Jahr später wurde sie von der Schallplattenfirma Victor unter Vertrag genommen. 1931 nahm sie an einem Wettbewerb, La Fiesta del Tango, in Buenos Aires teil, in dem sie den ersten Platz belegte und damit zur „Königin des Tangos“ gekrönt wurde.

Libertad Lamarque während ihres Vortags von La Cumparsita bei der Fiesta del Tango
Mitte oben sieht man das Orchester Francisco Canaro.



Im folgenden Ausschnitt des Films sieht man Libertad Lamarque als Sängerin der besseren Gesellschaft während ihrer Reise auf einem Ozeandampfer nach Paris.




5. La Orquesta de Señoritas




Neben Sängerinnen gibt es nur wenige Tangomusikerinnen, die mit Namen bekannt sind. Trotzdem waren Orchester, die hauptsächlich oder ausschließlich aus Frauen bestanden, keine große Seltenheit. Sie gehörten zu Ensembles, die zum Beispiel in Cafés auftraten. Über die Gruppe, die im folgenden Ausschnitt den Tango Pipiolo darbietet, wurde im Film leider keine Angaben gemacht. Es ist aber offensichtlich, dass dort fachkundige Musikerinnen auftraten, die sich darauf verstanden, einen Tango zu spielen.





© 2017 Wolfgang Freis

Sunday, September 24, 2017

The Women of "Tango!"

(Zur deutschen Version)


In 1930, the sound film came to Argentina. Many tango musicians were outraged: an important performance venue and source of income that had been available to them through the years of the silent movie was slipping from their hands. Yet, three years later the sound film took roots in Argentina, and the first one to be produced in the country was: Tango!


The film is not a masterpiece of cinematography. On the contrary: the plot is weak, the acting generally clumsy, and the dialogues are paltry. But there is the music! The producers of the film brought together some of the best tango musicians of the time. Among them are four outstanding female singers and actresses: Tita Merello, Azucena Maizani, Mercedes Simone, and Libertad Lamarque.

Cartoons from Caras y Caretas.
From left to right: Tita Merello, Azucena Maizani, Mercedes Simone, Libertad Lamarque

Beginning their careers in the 1920s, the four women became the superstars of tango in the 1930s-40s. They were omnipresent in public life—to be seen everywhere in magazines, on stage, and on screen; and to be heard on record and on the radio. 

1. Tita Merello


Tita Merello


Tita Merello (1904-2002) grew up in the poorest circumstances in Buenos Aires. Never having visited a school, she only learned to read and write when she started to make advances on the theater stage. She was not formally trained as an actress or singer but quickly gained a reputation as a first-rate performer. Her first appearance as a singer, when she was still a teenager, turned out to be such a complete flop that she vowed never to sing again. However, she continued to sing tangos in plays which became so popular that they were also released on records.


In 1932, a year before Tango! was shot, she celebrated a great success appearing in La Muchachada del Centro, a musical comedy with music by Francisco Canaro to a libretto by Ivo Pelay. Canaro, who conducted the orchestra during the shows, remembered her as being a demanding perfectionist during rehearsals. The play was one of the great theatrical successes of the year, and performances were discontinued only because Canaro had other commitments


In Tango! , Merello plays the part of a girl from the suburban tenement housings to whom the male 'hero' returns in the end—having abandoned her to seek fame and fortune. The orchestra accompanying her in the following clip is the Conjunto de la Guardia Vieja of violinist Ernesto Ponzio and clarinetist Juan Carlos Bazán.




2. Azucena Maizani

Azucena Maizani


A pretty young woman with very black hair frequently visited the 'Pigall'. As we were talking one night, she told me that she sang. It occurred to me to ask her if she would not like to sing, after a few rehearsals, in public. I would accompany her with my orchestra. She graciously accepted, and after having rehearsed, we announced her to the public. I presented her myself under the name of 'Azabache' because of her black hair. She sang El rebenque planteado and the milonga La Verdolaga, which she had learned by listening to Carlitos Gardel. It does not need to be said that she had a colossal success from the very beginning because she really sang well and whith much feeling.”


This is how Francisco Canaro described how his discovery of Azucena Maizani (1902-1970). The sobriquet azabache (gagate, jet-black) that Canaro had bestowed on her did not stick, but she quickly became an enormously popular tango singer, one of the most recorded in the 1920s (incidentally, with the orchestra of Francisco Canaro).


Significantly, she appears at the very beginning of Tango!, signing during the opening titles and credits. She also appears as a tango singer in a dingy cabaret in the suburbs of Buenos Aires. The orquesta típica is led by Juan de Dios Filiberto, who is also the composer of the tango sung in the following excerpt. (Botines viejos, text by Alberto Vaccarezza.)





3. Mercedes Simone

Mercedes Simone

Mercedes Simone (1904-1990) started her singing career at the side of her husband, the guitarist Pablo Rodríguez. Singing at first only at weekends to increase the family income in small towns in the area of her hometown, La Plata, she made her professional debut in 1926 in Bahía Blanca.

Inadvertently, Simone gave an important impulse to the popularization of the danced milonga. Rosita Quiroga had asked Homero Manzi to write a milonga for her. Manzi asked Sebastián Piana for help, and the two composed Milonga sentimental. However, Quiroga did not like the piece; it was not the kind of milonga she expected and did not fit into her repertoire. Piana asked Mercedes Simone if she would take a look at it. She took it along on a concert tour to Montevideo and performed it there with great success. Back in Buenos Aires, she was the first to record it.

In Tango!, Simone sings Milonga sentimental accompanied the orquesta típica of Pedro Maffia. In 1934, Maffia performed the piece again (this time with the singer Rosita Montemar) at a well-publicized radio broadcast, after which Milonga sentimental gained popularity with the general public.

In the following excerpt of the film, Mercedes Simone sings her own composition Cantando, accompanied by Pedro Maffia and his orquesta típica.







4. Libertad Lamarque

Libertad Lamarque


Libertad Lamarque (1908-2000) knew the theater stage already as a child and started to work professionally as an actress when she was twelve years old. In 1926, she sang a tango the first time in a play and was contracted in the following year by the Victor company to make recordings. In 1931, she participated in a competition, La Fiesta del Tango, in which she took first prize and thus was crowned the “Queen of Tango”.

Libertad Lamarque during her performance of La Cumparsita at the Fiesta del Tango. At the top, the orchestra of Francisco Canaro.


In the following excerpt of the film Libertad Lamarque appears as an upper-class singer performing on an ocean liner, on which the male 'hero' has embarked on his way to Paris.




5. La Orquesta de Señoritas



Apart from singers, only a few female tango musicians are known by name. Nevertheless, orchestras consisting mostly or exclusively of women where not that uncommon. They belonged to the kind of ensembles that would perform in cafés, for example. The group playing the tango Pipiolo in the following excerpt is, unfortunately, unidentified, but they certainly knew how to play a tango.





© 2017 Wolfgang Freis