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Monday, September 25, 2017

Die Frauen des "Tango!"

1930 erreichte der Tonfilm Argentinien. Viele Tangomusiker waren entsetzt: eine wichtige Auftrittsbühne und Einnahmequelle, die ihnen während der Jahre des Stummfilms zur Verfügung stand, drohte ihnen aus den Händen zu gleiten. Drei Jahre später wurde der Tonfilm dann auch in Argentinien heimisch, und der erste, der im Lande produziert wurde hieß: Tango!

Der Film ist kein kinematographisches Meisterwerk. Im Gegenteil: die Handlung ist schwach, die Schauspielerei meistens unbeholfen und die Dialoge dürftig. Aber da ist die Musik! Die Produzenten brachten einige der besten Tangomusiker der Zeit zusammen. Unter ihnen sind vier herausragende Sängerinnen und Schauspielerinnen: Tita Merello, Azucena Maizani, Mercedes Simone, und Libertad Lamarque.

Karikaturen aus Caras y Caretas.
Von links nach rechts: Tita Merello, Azucena Maizani, Mercedes Simone, Libertad Lamarque

Die vier Frauen begannen ihre Karriere in 20er Jahren und waren bis nach den 40er Jahren die absoluten Superstars des Tangos. Im öffentlichen Leben waren sie allgegenwärtig: man sah sie in Zeitschriften, auf der Bühne, auf der Leinwand; man hörte sie auf Schallplatten und im Radio. 

1. Tita Merello


Tita Merello


Tita Merello (1904-2002) wuchs in den ärmlichsten Verhältnissen in Buenos Aires auf. Sie besuchte nie eine Schule und lernte Lesen und Schreiben erst, als sie Fortschritte in ihrer Bühnenkarriere machte. Ebenfalls durchlief sie nie eine Ausbildung als Schauspielerin oder Sängerin, errang aber schnell einen Ruf als erstklassige Darstellerin. Ihr erster Bühnenversuch asl Sängerin—sie war noch im besten Backfischalter—endete in solch einem Fiasko, dass sie schwor, nie wieder zu singen. Dennoch sang sie bald wieder Tangos in Theaterstücken, die so beliebt wurden, dass sie auf Schallplatten aufgenommen wurden.

1932, ein Jahr vor der Fertigstellung von Tango!, feierte Merello einen großen Erfolg in La Muchachada del Centro, einer musikalischen Komödie mit Musik von Francisco Canaro zu einem Textbuch von Ivo Pelay. Canaro, der auch das Orchester dirigierte, erinnerte sich ihrer später als einer anspruchsvollen Perfektionistin während der Proben. Die Komödie was einer der größten Theatererfolge des Jahres und wurde nur abgesetzt, da Canaro zuvor andere Verpflichtungen eingegangen war.


In Tango! spielte Merello die Rolle einer jungen Frau aus den Armutsvierteln, zu der der männliche „Held“ am Ende zurückkehrt, nachdem er sie hatte sitzen lassen, um sein Glück anderweitig zu suchen. Das Orchester, das Merello im folgenden Ausschnitt begleitet, ist das Conjunto de la Guardia Vieja von Ernesto Ponzio (Geige) und Juan Carlos Bazán (Klarinette).





2. Azucena Maizani

Azucena Maizani


„Eine hübsche junge Frau mit tiefschwarzem Haar kam oft ins 'Pigall'. Als wir uns eines Abends unterhielten, erzählte sie mir, dass sie auch sang. Ich hatte die Idee, sie zu fragen, ob sie nicht Lust hätte, nach einigen Proben vor einem Publikum zu singen. Ich würde sie mit meinem Orchester begleiten. Sie nahm das Angebot gerne an, und nachdem wir geprobt hatten, kündigten wir sie dem Publikum an. Ich stellte sie selber unter den Name 'Azabache' vor—auf Grund ihrer Haare. Sie sang El rebenque planteado und die Milonga La Verdolaga, die sie Carlitos Gardel abgehört hatte. Es muss gar nicht erwähnt werden, dass sie von Anfang an einen riesigen Erfolg hatte, denn sie sang wirklich wunderbar und mit viel Gefühl.“

So beschrieb Francisco Canaro, wie er Azucena Maizani (1902-1970) entdeckt hatte. Der Beiname 'Azabache' (Gagat, pechschwarz), den Canaro ihr gab, hielt sich nicht, aber sie wurde schnell eine äußerst beliebte Tangosängerin, die zu den meist auf Schallplatte aufgenommenen Künstlern der 20er Jahre gehörte (mit dem Orchester Francisco Canaro).


In Tango! tritt sie bezeichnenderweise gleich zu Anfang auf und singt während des Filmvorspanns. Im Film selber erscheint sie als Tangosängerin in einem schäbigen Cabaret der Vororte Buenos Aires. Das orquesta típica wird von Juan de Dios Filiberto dirigiert, der auch der Komponist des Tangos im folgenden Ausschnitt ist. (Botines viejos, mit einem Text von Alberto Vaccarezza.)





3. Mercedes Simone

Mercedes Simone

Mercedes Simone (1904-1990) begann an der Seite ihres Mannes, des Gitarristen Pablo Rodríguez, zu singen. Anfangs sang sie nur am Wochenende in den Kleinstädten der Umgebung ihrer Heimatstadt La Plata, um das Familieneinkommen zu erhöhen. Ihr Debüt als Berufssängerin feierte sie 1926 in Bahía Blanca.

Unbeabsichtigterweise gab Simone einen entscheidenden Anstoß zur Popularisierung der getanzten Milonga. Rosita Quiroga hatte Homero Manzi gebeten, ihr eine Milonga zu verfassen. Manzi bat Sebastián Piana um Hilfe, und beide komponierten Milonga sentimental. Rosita Quiroga gefiel das Stück nicht, da es nicht ihren Erwartungen entsprach und nicht in ihr Repertoire passte. Piana fragte daher Mercedes Simone, ob es ihr zusagen würde. Sie nahm es auf einen Konzerttour nach Montevideo mit und sang es dort mit großem Erfolg. Sie war die erste, die die Milonga nach ihrer Rückkehr nach Buenos Aires auf Schallplatte aufnahm.

In Tango! singt Mercedes Simone auch die Milonga sentimental, begleitet von Pedro Maffias orquesta típica. 1934 griff Maffia das Stück wieder auf und ließ es von Rosita Montemar während der Radioübertragung eines groß angekündigten Konzertes singen. Damit gelang der Milonga sentimental der Durchbruch zur Beliebtheit beim größeren Publikum.


Im folgenden Filmausschnitt singt Mercedes Simone Cantando, eine eigene Komposition, begleitet von Pedro Maffia und seinem orquesta típica.







4. Libertad Lamarque

Libertad Lamarque



Libertad Lamarque (1908-2000) kannte die Theaterbühne schon von Kindesbeinen an und fing mit 12 Jahren an, berufsmäßig als Schauspielerin zu arbeiten. Auf der Bühne sang sie zum ersten Mal einen Tango im Jahr 1926. Ein Jahr später wurde sie von der Schallplattenfirma Victor unter Vertrag genommen. 1931 nahm sie an einem Wettbewerb, La Fiesta del Tango, in Buenos Aires teil, in dem sie den ersten Platz belegte und damit zur „Königin des Tangos“ gekrönt wurde.

Libertad Lamarque während ihres Vortags von La Cumparsita bei der Fiesta del Tango
Mitte oben sieht man das Orchester Francisco Canaro.



Im folgenden Ausschnitt des Films sieht man Libertad Lamarque als Sängerin der besseren Gesellschaft während ihrer Reise auf einem Ozeandampfer nach Paris.




5. La Orquesta de Señoritas




Neben Sängerinnen gibt es nur wenige Tangomusikerinnen, die mit Namen bekannt sind. Trotzdem waren Orchester, die hauptsächlich oder ausschließlich aus Frauen bestanden, keine große Seltenheit. Sie gehörten zu Ensembles, die zum Beispiel in Cafés auftraten. Über die Gruppe, die im folgenden Ausschnitt den Tango Pipiolo darbietet, wurde im Film leider keine Angaben gemacht. Es ist aber offensichtlich, dass dort fachkundige Musikerinnen auftraten, die sich darauf verstanden, einen Tango zu spielen.





© 2017 Wolfgang Freis

Sunday, September 24, 2017

The Women of "Tango!"

(Zur deutschen Version)


In 1930, the sound film came to Argentina. Many tango musicians were outraged: an important performance venue and source of income that had been available to them through the years of the silent movie was slipping from their hands. Yet, three years later the sound film took roots in Argentina, and the first one to be produced in the country was: Tango!


The film is not a masterpiece of cinematography. On the contrary: the plot is weak, the acting generally clumsy, and the dialogues are paltry. But there is the music! The producers of the film brought together some of the best tango musicians of the time. Among them are four outstanding female singers and actresses: Tita Merello, Azucena Maizani, Mercedes Simone, and Libertad Lamarque.

Cartoons from Caras y Caretas.
From left to right: Tita Merello, Azucena Maizani, Mercedes Simone, Libertad Lamarque

Beginning their careers in the 1920s, the four women became the superstars of tango in the 1930s-40s. They were omnipresent in public life—to be seen everywhere in magazines, on stage, and on screen; and to be heard on record and on the radio. 

1. Tita Merello


Tita Merello


Tita Merello (1904-2002) grew up in the poorest circumstances in Buenos Aires. Never having visited a school, she only learned to read and write when she started to make advances on the theater stage. She was not formally trained as an actress or singer but quickly gained a reputation as a first-rate performer. Her first appearance as a singer, when she was still a teenager, turned out to be such a complete flop that she vowed never to sing again. However, she continued to sing tangos in plays which became so popular that they were also released on records.


In 1932, a year before Tango! was shot, she celebrated a great success appearing in La Muchachada del Centro, a musical comedy with music by Francisco Canaro to a libretto by Ivo Pelay. Canaro, who conducted the orchestra during the shows, remembered her as being a demanding perfectionist during rehearsals. The play was one of the great theatrical successes of the year, and performances were discontinued only because Canaro had other commitments


In Tango! , Merello plays the part of a girl from the suburban tenement housings to whom the male 'hero' returns in the end—having abandoned her to seek fame and fortune. The orchestra accompanying her in the following clip is the Conjunto de la Guardia Vieja of violinist Ernesto Ponzio and clarinetist Juan Carlos Bazán.




2. Azucena Maizani

Azucena Maizani


A pretty young woman with very black hair frequently visited the 'Pigall'. As we were talking one night, she told me that she sang. It occurred to me to ask her if she would not like to sing, after a few rehearsals, in public. I would accompany her with my orchestra. She graciously accepted, and after having rehearsed, we announced her to the public. I presented her myself under the name of 'Azabache' because of her black hair. She sang El rebenque planteado and the milonga La Verdolaga, which she had learned by listening to Carlitos Gardel. It does not need to be said that she had a colossal success from the very beginning because she really sang well and whith much feeling.”


This is how Francisco Canaro described how his discovery of Azucena Maizani (1902-1970). The sobriquet azabache (gagate, jet-black) that Canaro had bestowed on her did not stick, but she quickly became an enormously popular tango singer, one of the most recorded in the 1920s (incidentally, with the orchestra of Francisco Canaro).


Significantly, she appears at the very beginning of Tango!, signing during the opening titles and credits. She also appears as a tango singer in a dingy cabaret in the suburbs of Buenos Aires. The orquesta típica is led by Juan de Dios Filiberto, who is also the composer of the tango sung in the following excerpt. (Botines viejos, text by Alberto Vaccarezza.)





3. Mercedes Simone

Mercedes Simone

Mercedes Simone (1904-1990) started her singing career at the side of her husband, the guitarist Pablo Rodríguez. Singing at first only at weekends to increase the family income in small towns in the area of her hometown, La Plata, she made her professional debut in 1926 in Bahía Blanca.

Inadvertently, Simone gave an important impulse to the popularization of the danced milonga. Rosita Quiroga had asked Homero Manzi to write a milonga for her. Manzi asked Sebastián Piana for help, and the two composed Milonga sentimental. However, Quiroga did not like the piece; it was not the kind of milonga she expected and did not fit into her repertoire. Piana asked Mercedes Simone if she would take a look at it. She took it along on a concert tour to Montevideo and performed it there with great success. Back in Buenos Aires, she was the first to record it.

In Tango!, Simone sings Milonga sentimental accompanied the orquesta típica of Pedro Maffia. In 1934, Maffia performed the piece again (this time with the singer Rosita Montemar) at a well-publicized radio broadcast, after which Milonga sentimental gained popularity with the general public.

In the following excerpt of the film, Mercedes Simone sings her own composition Cantando, accompanied by Pedro Maffia and his orquesta típica.







4. Libertad Lamarque

Libertad Lamarque


Libertad Lamarque (1908-2000) knew the theater stage already as a child and started to work professionally as an actress when she was twelve years old. In 1926, she sang a tango the first time in a play and was contracted in the following year by the Victor company to make recordings. In 1931, she participated in a competition, La Fiesta del Tango, in which she took first prize and thus was crowned the “Queen of Tango”.

Libertad Lamarque during her performance of La Cumparsita at the Fiesta del Tango. At the top, the orchestra of Francisco Canaro.


In the following excerpt of the film Libertad Lamarque appears as an upper-class singer performing on an ocean liner, on which the male 'hero' has embarked on his way to Paris.




5. La Orquesta de Señoritas



Apart from singers, only a few female tango musicians are known by name. Nevertheless, orchestras consisting mostly or exclusively of women where not that uncommon. They belonged to the kind of ensembles that would perform in cafés, for example. The group playing the tango Pipiolo in the following excerpt is, unfortunately, unidentified, but they certainly knew how to play a tango.





© 2017 Wolfgang Freis

Sunday, April 23, 2017

The Ingenious Pedro Blanco


In his autobiography, Julio De Caro reported the discovery of an ingenious bandoneonist. In 1925, Luis Petrucelli wanted to leave the orchestra, and De Caro needed a player to replace him. By chance, he heard a young musician who impressed him so much that he offered him the job at once.

Photo of the bandoneonist Luis Petrucelli
Luis Petrucelli

His decision was not unproblematic. The musician who had to be replaced was no black horse but a well-known and accomplished bandoneonist. It was a difficult task for a young musician with little experience to take the place of an experience professional.


What is more, one of the most distinguished instrumentalists played the first bandoneon in De Caro's orchestra: Pedro Maffia. It comes as no surprise that Maffia was concerned about De Caro's decision to hire an unexperienced bandoneonist. His own reputation depended on the quality of the orchestra with which he performed. For the young musician, it was no different. To sit next to the great Maffia meant to raise the bas higher than it was already. (Years later in an interview, he admitted not to have closed an eye the night before his first performance with the orchestra.)

Foto von Pedro Maffia.
Pedro Maffia

It bespeaks the care and foresight with which the De Caro brothers attended to the young bandoneonist by introducing him to the orchestra only after they were sure that he was ready for the task. In an orchestra, it cannot be taken for granted that a new colleague—especially a young one—is welcomed with open arms. De Caros remark that, at their first encounter, Maffia barely greeted the neophyte and that the bassist Leopoldo Thompson for a start scrutinized him head to toe speaks volumes about the customs among musicians. To enter an established orchestra as a young and quite unexperienced musician is a challenging task—even more so if one has to hold one's ground next to an outstanding performer of the instrument. Obviously, Julio De Caro recognized the talent of the young musician. The fact that he and his brother carefully prepared him for his new assignment shows also that they knew the mentality of musicians very well and had enough experience to foster and preserve the new talent.

Orchestra Francsico Canaro, 1916, with bassist Leopoldo Thompson
The bassist Leopoldo Thompson (standing left) with the orchestra Francisco Canaro, 1916



( From: Julio De Caro, El Tango en mis Recuerdos)


It was shortly before the Vogue's Club was closing until the season of the following year (1925), when Luis Petrucelli informed me that he would leave for Mar del Plata in order to combine work and summer vacation with his fiancée. I tried to dissuade him from doing so, but when he promised to rejoin the orchestra upon his return, I agreed, adding: “The bandoneon that is going to replace you will be the creditor of your seat. Well, let us be friends and we will see what the future brings.” Straightaway I focussed on the search for a new bandoneonist and tried to find out where I could find Enrique Pollet, from whom I had received the best professional references as an instrumentalist.


I was told that he performed with the orchestra of Roberto Goyneche in a café in Villa del Parque, and it was said that the group was going to dissolve soon. I went there to take a look at the bandoneons. Pollet played very well but the second bandoneonist, whom I did not know, was by no means inferior to him and had, in addition, a good sense for interpretation.


At the end of the set, I decided to hire him instead of Pollet. I asked him his name and if he knew who I was. “My name is Pedro Blanco and I have known you, Julio, for many years. I was a young kid then and listened to the orchestra of you and your partners Minotto and Eustaquio [Laurenz] in Montevideo. You do remember the Laurenz brothers!? They are my stepbrothers.”

Photo von Pedro Blanco Acosta, genannt „Pedro B. Laurenz“
Pedro Blanco Acosta, „Pedro B. Laurenz“


“Yes, I can place you exactly. Now more than ever, and since you are leaving this orchestra, I would like to propose that you replace Luis Petrucelli and play together with the great Pedro Maffia. And, in order not to break with the tradition of your family name, I have already renamed you professionally: Pedro B. Laurenz.”


“This offer would be the greatest thing for me, since I am finishing here tonight. But I do not think that I am up to the task because I have been playing publicly only for a short time. To play in your orchestra and replace Petrucelli, Maestro, is not easy.”


I tried to build his confidence: “Let me take care of your concerns. The only thing I ask from you is that before your debut, you rehearse seriously with my brother Francesco and me in private. Well then, I expect you tomorrow with your bandoneon at my brother's. Good luck and listen well to me. Agreed?”


As Petrucelli was not to leave before his replacement—already found in the person of Laurenz—was ready, the latter dedicated himself completely to practicing in order to announce his joining the orchestra as soon as he was in best condition and equal to the others.


Even though this was not news anymore and known by all members of the orchestra, Maffia asked me inquisitively who he was. “He is a great fellow,” I responded. “And even though he is new, I am sure you will like him!” He was very concerned, and it almost seemed to be an insult to his professional reputation that someone in his position would have to share his responsibility with an unknown. Thus the situation … but fate had bestowed a Pedro Laurenz on me. If I mention this, in particular, it is only because my discovery had a special artistic significance to my ensemble.


At the first session, Maffia—I remember it well—hardly deigned to greet Laurenz, and [Leopoldo] “el negro” Thompson examined him head to toe. Meanwhile Francisco, who knew what class he had, was smiling, imagining what would happen when this great learner opened his “pot”.


The programmed tangos were: “Todo corazón”, “Triste”, Cobián's “Los dopados“ (today “Los mareados“), Delfino's “Agua bendita”, etc. As Laurenz played the first measures, Maffia—who was watching him from the corner of his eye—could not hide his admiration. And what could one say as this novice really got started, attacked the arpeggios, and stuck to the first voice like a shadow. When we had finished, Maffia besieged me with overwhelming joy, wanting to know where I had found this “genius”. Like that, Laurenz, on his own account, had earned with one leap a position that is attained by only a few.


Photo Orquesta Típica "Julio De Caro"

Laurenz played in De Caro's orchestra until 1932. Maffia wanted to start his own ensemble and left the orchestra in 1926. He was replaced Armando Blasco who, together with Laurenz, made up a “much talked-about duo” (De Caro). The De Caro orchestra broke up in 1932. De Caro than formed a larger ensemble with four bandoneons rather than two. The players were: Carlos and Romualdo Marcucci, Gabriel Clausi, and Félix Lispisker. Carlos Marcucci played the lead bandoneon. He also performed as a concert soloist and remained in the De Caro orchestra until 1953.


Saturday, April 22, 2017

Der geniale Pedro Blanco


In seiner Autobiographie berichtet Julio De Caro über die Entdeckung eines genialen Bandoneonisten. Im Jahre 1925 benötigte De Caro einen neuen Instrumentalisten, da Luis Petrucelli das Orchester verlassen wollte. Zufällig hörte De Caro einen jungen Musiker, der ihn so beeindruckte, dass er ihm umgehend die Stelle des zweiten Bandoneonisten in seinem Orchester anbot.  

Foto des Bandoneonisten Luis Petrucelli
Luis Petrucelli

Die Entscheidung war nicht ganz unproblematisch. Der Musiker, der ersetzt werden sollte, war kein unbeschriebenes Blatt, sondern ein bekannter und versierter Bandoneonist. Für einen jungen Instrumentalisten mit wenig Erfahrung war es eine schwere Aufgabe, sich in der Position des routinierten Profis zu behaupten.

Darüber hinaus spielte einer der herausragendsten Instrumentalisten das erste Bandoneon in De Caros Orchester: Pedro Maffia. Es verwundert nicht, dass Maffia sich über De Caros Absicht, einen unbekannten und unerfahrenen Bandoneonisten einzustellen, Sorgen machte, denn Maffias Ansehen hing auch von der Qualität des Orchesters ab, mit dem er auftrat. Dem jungen Musiker ging es nicht anders. Sich neben den großen Maffia zu setzen hieß die Messlatte noch höher anzusetzen, als sie schon war. (In einem späteren Interview gab er an, in der Nacht vor den ersten Auftritt mit dem Orchester kein Auge zugetan zu haben.)

Foto von Pedro Maffia.
Pedro Maffia

Es spricht für die Sorgfalt und Voraussicht der Brüder De Caro, dass sie sich des jungen Bandoneonisten besonders annahmen und ihn erst dem Orchester präsentierten, als sie sicher waren, er würde sich dem Orchester gewachsen zeigen. Dass ein neuer Kollege—noch dazu ein junger—in einem Orchester mit offenen Armen aufgenommen wird, ist keineswegs eine Selbstverständlichkeit. De Caros Bemerkung, dass Maffia den Neuling kaum begrüßte und der Bassist LeopoldoThompson ihn erst einmal von Kopf bis Fuß musterte, spricht Bände über die Gepflogenheiten in Musikerkreisen. Als junger, noch recht unerfahrener Musiker in ein eingespieltes Orchester einzutreten ist eine anspruchsvolle Aufgabe—mehr noch, wenn man sich neben einem der hervorragendsten Spieler seines Instruments behaupten muss. Offensichtlich erkannte Julio De Caro das Talent des jungen Musikers. Dass er und sein Bruder ihn sorgfältig auf die neue Aufgabe vorbereiteten zeigt aber auch, dass sie die Musikermentalität gut kannten und genügend Erfahrung besaßen, dieses neue Talent zu fördern und sich zu erhalten.

Orchester Francsico Canaro, 1916, mit dem Bassisten Leopoldo Thompson
Der Bassist Leopoldo Thompson (hinten links) im Orchester Francisco Canaro, 1916



( Aus: Julio De Caro, El Tango en mis Recuerdos)

Es fehlte nicht mehr viel, dass der Vogue's Club bis zur Saison des nächsten Jahres (1925) schließen würde, als Luis Petrucelli mir mitteilte, dass er nach Mar del Plata gehen würde, um Arbeit und Sommerurlaub mit seiner Verlobten zu verbinden. Ich versuchte ihn davon abzubringen, und als er mir versprach, sich bei seiner Rückkehr wieder dem Orchester anzuschließen, akzeptierte ich seinen Entschluss und fügte hinzu: „Das Bandoneon, dass für Dich eintritt, wird ein Anwärter für Deine Stelle sein. Also, lass uns Freunde bleiben, und wir werden sehen, was die Zukunft bringt.“ Sofort konzentrierte ich mich auf die Suche nach einem anderen Bandeonisten und fragte herum, wo ich Enrique Pollet, von dem ich die besten professionellen Referenzen als Instrumentalist erhalten hatte, finden könnte.

Man berichtete mir, dass er mit dem Orchester von Roberto Goyneche in einem Café in Villa del Parque auftrat, und es gingen Gerüchte um, dass sich das Ensemble bald auflösen würde. Ich ging dort hin, um mir die Bandoneons anzusehen. Pollet spielte sehr gut, aber der zweite Bandoneonist, den ich nicht kannte, war ihm keineswegs unterlegen und hatte außerdem ein gutes Gefühl für Interpretation.

Am Ende der Runde entschloss ich mich für ihn anstatt Pollet. Ich fragte ihn nach seinem Namen, und ob er mich kennen würde. „Ich heiße Pedro Blanco und Sie, Julio, kenne ich schon seit einigen Jahren. Ich war damals noch ein junger Kerl und konnte Ihnen in Montevideo mit Ihren Partnern Minotto und Eustaquio [Laurenz] in dem Orchester zuhören. Sie erinnern sich doch an die Brüder Laurenz!? Das sind meine Stiefbrüder.“

Foto von Pedro Blanco Acosta, genannt „Pedro B. Laurenz“
Pedro Blanco Acosta, „Pedro B. Laurenz“

„Ja, jetzt kann ich es richtig einordnen. Mehr denn je, da Sie von hier weggehen, möchte ich Ihnen anbieten, Luis Petrucelli zu ersetzen und mit dem großen Pedro Maffia zusammenzuspielen. Und um nicht mit der Tradition des Familiennamens zu brechen, habe ich Sie schon beruflich umbenannt: Pedro B. Laurenz.“

„Da ich hier heute Abend fertig bin, wäre dieses Angebot für mich das Größte. Aber ich glaube nicht, dass ich einer so großen Verantwortung gewachsen bin, denn ich spiele erst seit kurzem öffentlich. Und in Ihrem Orchester zu arbeiten, Maestro, und Petrucelli zu ersetzen, ist nicht einfach.“

Ich versuchte ihm, Selbstvertrauen einzuflößen: „Überlassen Sie Ihre Befürchtungen mir. Das Einzige, was ich von Ihnen verlange, ist, vor ihrem Debüt mit mir und Francisco privat ernsthaft zu lernen. Also, morgen erwarte ich Sie mit Ihrem Bandoneon bei meinem Bruder. Viel Glück und hören Sie mir gut zu. Einverstanden?“

Da Petrucelli nicht abreisen würde bevor eine Vertretung—in der Person von Laurenz war sie schon gefunden—einsatzfähig war, widmete sich Letzterer ganz und gar dem Üben, um seinen Eintritt ins Orchester bekanntzugegen, sobald er in hervorragender Verfassung und den anderen ebenbürtig war.

Obwohl das an sich keine Neuigkeit und allen Kollegen bekannt war, fragte mich Maffia nachforschend, wer es denn sei. „Er ist ein großartiger Bursche,“ antwortete ich ihm. „Und obwohl er neu ist, bin ich mir sicher, er wird Dir gefallen!“ Es beunruhigte ihn sehr und schien ihm fast seiner professionellen Ehre zu spotten, dass jemand in seiner Position seine Aufgabe mit einem Unbekannten teilen musste. So lagen die Dinge..., aber das Schicksal wollte mir einen Pedro Laurenz zutragen. Wenn ich es besonders hervorhebe, dann nur, weil meine Entdeckung eine besondere künstlerische Bedeutung für mein Ensemble hatte.

In der ersten Runde—ich erinnere mich gut daran—ließ sich Maffia kaum dazu herab, Laurenz zu grüßen, und [Leopoldo] „El Negro“ Thompson musterte ihn von Kopf bis Fuß. Währenddessen schmunzelte Francisco, der seine Klasse kannte, und überdachte was passieren würde, wenn dieser große Lerner seinen „Pott“ aufmachte.

Die angesetzten Tangos waren: „Todo corazón“, „Triste“, und Cobiáns „Los dopados“ (heute „Los mareados“), Delfinos „Agua bendita“, usw. Als Laurenz die ersten Takte spielte, konnte Maffia, der ihn aus den Augenwinkeln beobachtete, seine Bewunderung nicht verbergen. Und was sollte man sagen, als der Anfänger erst richtig loslegte, die Arpeggios anschlug und wie ein Schatten an der ersten Stimme klebte. Nachdem wir fertig waren, bedrängte Maffia mich mit überschäumender Freude, um zu wissen, wo ich dieses „Genie“ gefunden hatte. So erreichte Laurenz durch eigenen Verdienst mit einem Sprung eine Stellung, die nur wenigen vorbehalten ist.


Foto Orquesta Típica "Julio De Caro"


Laurenz spielte im De Caro Orchester bis 1932. Maffia wollte sein eigenes Ensemble gründen und verließ 1926 das Orchester. Er wurde durch Armando Blasco ersetzt, der zusammen mit Laurenz ein Duo bildete, “dass von sich reden machte” (De Caro). Das De Caro Orchester löste sich 1932 auf. De Caro stellte dann eine neue und größereGruppe mit vier statt zwei Bandoneons zusammen. Die Spieler waren: Carlos und Romualdo Marcucci, Gabriel Clausi und Félix Lispisker. Carlos Marcucci spielte das erste Bandoneon. Er trat auch als Konzertsolist auf und hielt seine Stelle im De Caro Orchester bis 1953.