Que tengas mucha suerte, que Dios no te abandone,
yo sé que a mí
me espera la eterna soledad,
no tiembles en mis brazos, te ruego me
perdones,
el tango ya termina, salgamos a llorar...
(Aus: Caras y caretas, Buenos Aires, 1935)
Ausländer, die sich zum
ersten Mal in unserem Land aufhalten und irgendeine Festlichkeit
besuchen, auf der getanzt wird, fragen unverzüglich: „Warum tanzen
die Argentinier so traurig?“ Es ist eine akkurate Beobachtung: die
Argentinier tanzen mit einer merkwürdigen Traurigkeit, ausgelöst
vielleicht durch den schwermütigen und bedrückten Rhythmus des
Tangos: ein Rhythmus, der jedem criollo
im Blut steckt und der an die Oberfläche kommt, wenn ein Takt Musik
sein Gehör durchdringt.
Ein
Paar, das Tango tanzt, spricht nicht, lächelt nicht, verzieht keinen
Gesichtsmuskel, und die Augen scheinen zu verlöschen, während
klagende Akkorde den Tänzern schmerzhafte Verrenkungen
abverlangen...
Diese
Traurigkeit erlegen sie sich genauso beim verrücktesten
amerikanischen Foxtrott auf, und nicht einmal der Schotis, der
seinerzeit in Mode war, erreichte es, dass unsere Landsleute ihre
angestammte Traurigkeit—die Traurigkeit der schwermütigen
Gauchos—beiseite ließen... Diese Traurigkeit schwingt in allen
ländlichen Liedern mit: in den Tristen, Vidalitas und Estilos, in
der ganzen nationalen Musik; eine Traurigkeit, die zweifelsohne eine
sehr große Schönheit besitzt, die aber ansteckt und besticht. Wenn
die Folklore so traurig ist, wie sollten die Argentinier nicht mit
Traurigkeit tanzen?
Der
Geist des criollo ist von Schwere durchdrungen. Das erweist
sich daran, dass in ernsthaften oder fröhlichen Kreisen, die denen
sich Argentinier versammeln, es keinen Mittelgrund der Unterhaltung
gibt. Entweder scheinen sie einer Totenwache beizuwohnen oder sie
übertreiben es ins andere Extrem mit unverhältnismäßigen
Ausschweifungen, „spielen sich vor“, dass sie sich unterhalten,
wenn sie im tiefsten Herzen gegen die eigene Langeweile ankämpfen
und so ein Spektakel veranstalten.
Tango
von Argentiniern getanzt ist so etwas wie Traurigkeitsritus. Der
gleiche Tango, von Ausländern getanzt, wird nicht so harmonisch,
aber bewegend und heiter sein. Ein criollo Paar, das
„aneinandergeklebt“ einen Tango tanzt, scheint zu vergessen, dass
die Welt sich um sie herum dreht: sie ziehen sich zurück, sie geben
sich hin, sie kommunizieren miteinander diesen Schmerz des nationalen
Tanzes, der so eigentümlich durch La cumparsita oder
Rodríguez Peña, schwebt. Ausländer, die die gleichen Tangos
tanzen, ändern den Takt und Rhythmus... Vielleicht ist das der
Unterschied, der die Argentinier traurig scheinen lässt, wenn sie
tanzen...
Übersetzung
© 2017 Wolfgang Freis
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